DP0MIR

Funkkontakt zwischen dem St-Bernhard Gymnasium mit der Station DB0GX und der russischen Raumstation MIR mit dem deutschen Kosmonauten Thomas Reiter DP0MIR
am 16. Februar 1996

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Sendung im
Kurzwellenpanorama
Radio Österreich International
vom 2. März 1996


MIR.mp3


Im Gespräch mit (dem Kosmonauten) Thomas Reiter

Herr Klink und Mitglieder seiner Funk- Ag im Funkverkehr mit der Sojuskapsel

Genau wie etwa 30 andere Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen in Deutschland, Frankreich und Großbritannien hatte sich DB0GX für einen MIR-Kontakt angemeldet. Am 9.Januar 1996 sollten Willicher Schüler die Möglichkeit erhalten, mit Thomas Reiter zu plaudern. Und so schallte der Ruf "DP0MIR von DB0GX" zu den verabredeten Zeiten durch den kalten Speicherraum. Immer wieder, aber vergeblich. Und alles war doch getan worden: Nachdem kurz nach Weihnachten der Termin und die zu verwendende Uplink-Frequenz von der Amateurfunkgruppe der Deutschen Forschungsanstalt für Luft und Raumfahrt bekannt gegeben worden war, krochen am Tag vor Silvester einige ehemalige Schüler über das Schuldach, um es zu enteisen. Bei minus 8 Grad reparierten Norbert und Andreas noch schnell den Elevationsrotor. Die Amateurfunk-AG organisierte diverse Geräte und Ersatz-Transceiver, schuleigene Fernseher, Kamera und Computer, brachte die Satelliten-Programme mit den MIR-Flugdaten auf den letzten Stand, bastelte und hämmerte und verlegte sogar Teppichboden in der Funkbude, die nun seit ihres 10jährigen Bestehens noch nie so schmuck, gemütlich und aufgeräumt ausgesehen hatte. Immerhin: Die lokale Presse war vertreten, alle lokalen Hörfunk-stationen waren anwesend, einige mit Live-Schaltungen, und ein Fernseh-Team des Westdeutschen Rundfunks hatte sich die Exclusiv-Rechte für den besten Sofa-Platz im kleinen Funkraum gesichert. Dazu jede Menge Schüler, die gleich am zweiten Schultag nach den Ferien die Gelegenheit eines "unterrichts-verdünnten" Vormittags nutzten. Und Sponsoren waren anwesend: der Bürgermeister der Stadt Willich, Vertreter von Sparkasse, Volksbank und der Fa. Telcom, von interessierten Lehrern und der Schulleitung ganz zu schweigen. Aber Thomas Reiter meldete sich nicht. Aufgrund seines Arbeitsprogramms mit technischen Problemen an Bord der MIR konnte er den Termin nicht einhalten. Enttäuschung mischte sich bald mit Zuversicht. "Ich find' den Thomas Reiter trotzdem süß! Wenn der wieder zurück auf der Erde ist, können wir ihn ja mal zu einer Pizza einladen", so eine Schülerin.

Von einem Mißerfolg kann aber nicht die Rede sein, denn die Afu-AG hatte mit viel Fleiß die Gelegenheit genutzt, einerseits die schulischen Aktivitäten, zum anderen den Amateurfunk überhaupt einer breiten Öffentlichkeit näher zu bringen. So waren die "Bernhardiner" dann auch stolz, sich im WDR-Fernsehen, Schaufenster Düsseldorf, am Abend wieder zu sehen. Und man war gut auf den nächsten Termin, den 16. Februar, vorbereitet.

Anders als bei rein amerikanischen Raumfahrt - Missionen gehören Amateurfunk - Schulkontakte nicht zum offiziellen ESA-Programm. Die wissenschaftliche Arbeit geht vor, und dass Thomas Reiter trotzdem im Rahmen des SAFEX (Shuttle Amateur Radio Experiments) mit diversen Schulen und dann am 16.2. auch mit uns sprach, ist seinem persönlichen Engagement, seinem "ham-spirit" zu verdanken. Am 16.Februar 1996 klappte es dann tatsächlich, wenn auch erst im zweiten von Oberpfaffenhofen reservierten MIR-Überflug. Thomas Reiter an DP0MIR konnte in sehr guter FM-Qualität empfangen werden. Der Presserummel war nicht mehr so groß, die meisten Schüler zogen am unterrichtsfreien Karnevalsfreitag närrisches Treiben vor und schauten nur vereinzelt in die Funkbude, die beim zweiten "sked" neben den Mitgliedern der Afu-AG nur wenige Gäste beherbergte: Herr Schell, einige Lehrer, Vertreter der lokalen Zeitungen und Yaesu - Chef Kaz Naguru, der eigens aus Frankfurt kam, um zu sehen, wie der von den Sponsoren finanzierte neue Transceiver in Willich "spielte". Während des ersten MIR-Überflugs ab 18.22 Uhr kam wieder nur kosmisches Rauschen aus den geliehenen Boxen. Also konzentrierten sich alle Hoffnungen auf die un-weigerlich letzte Chance: den zweiten Umlauf der russischen Raumstation ab 19.59 Uhr. Die Zwischenzeit wurde von den Pressevertretern für Interviews genutzt, Funkverkehr und "packet radio" wurden demonstriert, und Kaz Naguru erzählte vom Amateurfunk in Japan, in englischer Sprache versteht sich. Es entwickelte sich ein gemütliches Plauderstündchen, mit viel Erfahrungsaustausch in gelöster Atmosphäre.

" DB0GX von DP0MIR", rief Thomas Reiter mehrmals, weil er das DB0GX-Signal in etwa 400 km Höhe schlechter hörte als wir seins. Also grüßte er Willich und erzählte vom anstehenden Packen und Lesen der Dokumentation der Kapsel, verließ er doch 13 Tage später die Raumstation, wo er seit September 1995 gelebt und gearbeitet hatte.

Während des 8minütigen Schulkontakts antwortete Thomas auf fast alle Fragen, die die Schüler vorbereitet hatten und selbst stellten. Die 10jährige Anne wollte etwas über Waschen und Rasieren wissen. "Rasieren geht wie auf der Erde, zum Waschen haben wir feuchte Handtücher, mit so einer Seifenlauge imprägniert". Daniel (5e) interessierte mehr die Geschwindigkeit der MIR, "etwa 26fache Schallgeschwindigkeit", und Julius, DD8EZ, 14 Jahre alt, fragte nach sichtbaren Umweltschäden." Hauptsächlich im Urwald, Erosionen um Madagaskar."

Claudia, 17 Jahre, wollte etwas über die möglichen Spannungen der drei Männer im All wissen. Thomas Reiter: "Wir haben uns bisher eigentlich noch nicht gestritten. Es wundert mich ehrlich gesagt selbst, aber das halbe Jahr ging in der Beziehung ganz hervorragend über die Bühne".

Zu den Ergebnissen einzelner Forschungsprojekte konnte Thomas Reiter noch nichts sagen, da die meisten Daten und Proben erst am Boden ausgewertet werden. Fragen nach der Einsatzbereitschaft der Amateurfunk - Geräte konnte er wohl nicht mehr aufnehmen. " Wir sind seit einigen Minuten in Verbindung mit dem Kontrollzentrum in Moskau, und während der Zeit, während die anderen Sender hier arbeiten, kann ich fast kein Signal vom Boden empfangen."

Bei seinen letzten Worten: " Wir sind gleich unterm Horizont. Nochmals viele Grüße nach Willich, von uns dreien, und vielleicht gibt sich ja mal die Gelegenheit, am Boden miteinander zu sprechen..." wurde nachgehakt, ob er aber unsere Einladung zum Schuljubiläum noch verstanden hat, ist fraglich. (Auch eine schriftliche Einladung über Oberpfaffenhofen blieb bis Anfang Mai 1996 noch unbeantwortet.)

Lautstarkes Johlen und Klatschen zerschnitt danach die Stille des Funkraums. Alle waren begeistert, und die, die vorher noch nie etwas vom Amateurfunk gehört hatten, lobten die gute FM-Verbindung zur MIR. Die gemeinsamen Anstrengungen hatten sich also gelohnt. Die lokalen Zeitungen berichteten wieder ausführlich, und das mitten in der 5.Jahreszeit, wo sonst nur König Karneval für Schlagzeilen sorgt.

BERNHARD KLINK, DG1EA